Jeder Arbeitgeber riskiert Bußgeld und Schadensersatz, ohne es zu wissen!

Schild für Behindertenparkplatz

§ 164 SGB IX: Unbekannte Pflicht mit großen Folgen

Ich wette, nicht einmal 1% aller kleinen und mittleren Unternehmen kennen diese Pflicht für Arbeitgeber, bei deren Verstoß Bußgelder und Schadensersatz drohen. Die Rede ist von den Pflichten nach § 164 SGB IX, nach dessen Abs. 1 S. 2 jeder Arbeitgeber frühzeitig die Agentur für Arbeit von einer freien Stelle unterrichten muss, um diese mit der Vermittlung an schwerbehinderte Bewerber zu beauftragen.

Bußgeld bei fehlender Beteiligung

Und da es keiner weiß, aber sich über sämtliche Pflichten informieren muss, handelt jeder Arbeitgeber fahrlässig im Sinne von § 238 I Nr. 7 SGB IX, wenn er Schwerbehindertenvertretungen oder Betriebsräte nicht beteiligt, nach Abs. 2 droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 EUR.

Schadensersatz und Entschädigung

Damit noch nicht genug: Wenn eine Bewerbung eines Schwerbehinderten abgelehnt wird, kann er nach § 15 AGG Schadensersatz und eine Entschädigung von bis zu 3 Monatsgehältern einklagen.

Beweislast

Die Benachteiligung wegen Schwerbehinderung wird dabei nach § 22 AGG vermutet, wenn - was immer der Fall sein wird - gegen § 164 I 2 SGB IX verstoßen wurde. Dies gilt sogar, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Bewerber über die geforderten Fähigkeiten verfügte, also selbst bei schlechten Zeugnisnoten, wenn dies keine objektive Voraussetzung der Ausschreibung war. Allerdings kann der Arbeitgeber dann beweisen, dass er die Stelle schon vor Eingang der Bewerbung besetzt hatte, so dass er gegen den Schwerbehinderten gar nicht diskriminieren konnte. Entscheidend ist also, den Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung sowie deren Gründe sorgfältig zu dokumentieren.

Achtung vor Abkürzung des Bewerbungsverfahrens

Laut Bundesarbeitsgericht kann auch schon die vorzeitige Beendigung des Bewerbungsverfahrens entschädigungspflichtig diskriminieren, sogar wenn der Arbeitgeber zu dem Zeitpunkt noch nichts von der Bewerbung des Schwerbehinderten wusste. Denn der Arbeitgeber verhindert durch die Abkürzung des Verfahrens, dass der Schwerbehinderte eine Bewerbung abgibt, die der Arbeitgeber berücksichtigen kann. Daher sollte er keine konkreten Fristen im Einstellungsverfahren mitteilen. Macht er dies dennoch, sollte er diese einhalten.

Anwendbar für alle Arbeitgeber

Die Pflichten nach § 164 SGB IX gelten für jede freie Stelle und unabhängig von der Größe des Unternehmens, also ab dem ersten Angestellten. Der schlimmste Fall ist eine öffentliche Stellenausschreibung, ohne die Arbeitsagentur ordnungsgemäß zu beteiligen. Dafür genügt nicht die Ausschreibung auf der Seite der Arbeitsagentur, sondern man muss der Arbeitsagentur auch formal ordnungsgemäß den Vermittlungsauftrag erteilen. Versäumt man das, riskiert man gleich eine Vielzahl an Bewerbungen, bei denen die Diskriminierung vermutet wird.

Fazit

Das Beispiel von § 164 SGB IX zeigt, wie es der Gesetzgeber versäumt, Unternehmen ausreichend über ihre (ständig wachsenden) Pflichten zu unterrichten. Vertrauen Sie daher einer Anwaltskanzlei wie Streiff Law, die Sie nicht nur im Arbeitsrecht, sondern auch in allen anderen relevanten Bereichen des Wirtschaftsrechts über wesentliche Neuigkeiten auf dem neuesten Stand hält. Wenn wir Ihre Arbeitsverträge erstellen oder überprüfen, halten wir Sie, Ihre Vorlagen und Verträge gerne über für Sie relevante Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung auf dem Laufenden.

Erschienen am 01.09.2025